Durch die Aufgabe extensiver Landnutzung und exzessiven Eintrag von Nährstoffen hat der Mensch seit Mitte des 19. Jahrhunderts der Buntheit und Vielfalt der Lebewesen in unserem menschlichen Lebensraum und „Psychotop“ große Verluste zugefügt.
Die Ameisenstadt in der Dellenhäule
Geistige Inspiration beim Wandern in der Kulturlandschaft, gefeiert von den Dichtern der Romantik, geht zunehmend verloren.
Die Ameisenstadt in der Dellenhäule ist eines der letzten in Deutschland verbliebenen Naturdenkmale, die anzeigen, was in jener Zeit Normalität war. Extensive Schafweide über Jahrhunderte hinweg schuf hier nicht nur eine hohe, langzeitstabile Artenvielfalt, sondern auch die höchste weltweit bekannte Dichte einer Ameise. Einhundertsechzig Millionen Arbeiterinnen der Gelben Wiesenameise Lasius flavus errichten hier auf einem Hektar Fläche 7000 Hügel von 335 Kubikmeter Volumen und 184 Tonnen Trockenmasse. Hier werden pro Jahr 7 Tonnen Bodenmaterial nach oben bewegt werden – eine Förderleistung, die nur noch durch Regenwürmer übertroffen wird. Die Ameisenhügel sind Lebensraum für eine Vielzahl anderer wirbelloser Tiere. Zudem erhöhen besondere physikochemische Bedingungen auf den Hügeln die Vielfalt der Pflanzenarten. Nicht zuletzt sind die Ameisen, die erstaunliche 160 kg Lebendgewicht pro Hektar auf die Wage bringen, ihrerseits Nahrung für viele andere Tiere. Zehn Grünspechte können hier in bester Kondition den härtesten Winter überstehen, ohne die Ameisen nachhaltig zu schädigen, und für räuberische Knotenameisen sind die weichhäutigen Gelben eine willkommene Beute.
Die Gelbe Wiesenameise lebt rein unterirdisch und bestreitet ihre Stoffwechselansprüche nahezu vollständig über eine Wechselbeziehung mit mindestens 22 Wurzellausarten, die in den vollständig durchwurzelten Nesthügeln und außerhalb davon gepflegt werden. Sie liefern den Ameisen große Mengen an Zucker, alle essentiellen Aminosäuren und tierisches Protein.
Die Ameisenstadt in der Dellenhäule ist eines der letzten in Deutschland verbliebenen Naturdenkmale, die anzeigen, was in jener Zeit Normalität war.
(Text: Dr. Bernhard Seifert, Department of Entomology, Senckenberg Museum für Naturkunde, Görlitz)
Bilder: Hans-Peter Horn